Industrie und Handwerk - Männerdomänen?
Ein Interview zum Weltfrauentag
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Martina Zoth-Opolka ist kaufm. Geschäftsführerin der Zoth GmbH & Co. KG - mit knapp 500 Mitarbeitenden eines der größten Industriedienstleistungsunternehmen in Rheinland-Pfalz. In einem Interview zum Weltfrauentag spricht sie über Frauen in Industrie und Handwerk.
Frau Zoth-Opolka, Sie haben die Geschäftsführung in ihrem Familienunternehmen vor fast dreißig Jahren übernommen und führen es mit ihrem Bruder erfolgreich in zweiter Generation. Sie sind mittendrin in Industrie und Handwerk – bis heute Männerdomänen, oder?
Überwiegend schon, ja. Industrie und Handwerk, da gab es nur sehr wenige Frauen, als ich angefangen habe. Und auch wenn sich viel getan hat sind das auch heute Bereiche, in denen noch deutlich mehr Männer tätig sind. Gerade deswegen setze ich mich für mehr Diversität ein.
War es für Sie schwer dort Fuß zu fassen und können Sie sich an Situationen erinnern, in die Sie als Mann so nicht gekommen wären?
Nun (lacht): Ich führe unser Unternehmen gemeinsam mit meinem Bruder, Wolfgang Zoth. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich auf Veranstaltungen erklären musste, dass ich Geschäftsführerin – und weder seine Frau noch seine Begleitung bin. Auch Kalender mit leicht bekleideten Frauen in Werkhallen gehören leider nach wie vor zu einem Alltag, der nicht gerade zu Augenhöhe beiträgt und den ich gerne schneller verändert sähe. Aber es scheint, Veränderung braucht Zeit.
Strukturen, die vielleicht doch tiefer verankert sind, als man im Jahr 2022 gerne glauben möchte. Ein Kampf gegen Windmühlen?
Nein, es ist doch so: Bestimmte Debatten immer wieder aufs Neue zu führen, das strengt an, natürlich. Aber ich sehe das nicht als Kampf gegen etwas, sondern als Fortschritt, den wir gemeinsam gestalten. Als Gesellschaft. Und wir haben schon zu viel erreicht, um uns mit einem Status Quo zufrieden zu geben, der weniger hergibt als absolute Gleichberechtigung. Davon bin ich überzeugt und dafür setze ich mich ein.
Außerdem werden Frauen unbedingt gebraucht. Der Fachkräftemangel im Handwerk und in der Industrie ist schon heute deutlich spürbar.
Absolut. Und dass junge Frauen genauso qualifiziert sind wie junge Männer steht außer Frage – in Deutschland waren 2020 knapp 50% aller Hochschulabgänger weiblich. Auch in den MINT Berufen schneiden Frauen genauso gut ab wie Männer. Natürlich finde ich es schade, dass die Realität gerade im Handwerk und in der Industrie noch immer anders aussieht. 2021 waren nur etwa 12% der Erwerbstätigen im Handwerk weiblich. Arbeiten in der Industrie, also zum Beispiel das Bedienen von Maschinen und Anlagen, aber auch Montagearbeiten wie unser Unternehmen sie durchführt wurden nur zu knapp 14% von Frauen ausgeführt.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Was wollen Sie tun, um das zu ändern?
Wir erarbeiten gerade eine neue Strategie für mehr Diversität in der Belegschaft bis 2030. Ich freue mich sehr, dass unser Unternehmen auch in der nächsten Generation von zwei qualifizierten jungen Frauen weitergeführt wird, von Sophie Opolka-Mittler und Antonia Zoth. Die beiden treiben das Thema voran und es ist schön zu sehen, dass sie dabei von unserer überwiegend männlichen Mitarbeiterschaft bestmöglich unterstützt werden. Dieser Support gibt macht mir Mut. Unser gemeinsames Ziel ist es aktiv dafür Sorge zu tragen, dass wir innerhalb der gesamten Belegschaft den Frauenanteil steigern – auch auf Baustellen, auch auf Montage.
Wo genau sehen Sie dafür Anknüpfungspunkte, was muss noch besser werden?
Zunächst mal muss es gelingen, gerade die Berufe aus Industrie und Handwerk für Frauen attraktiver zu machen. Dazu gehört definitiv die Weiterentwicklung traditioneller Unternehmenskulturen, gerade auf Baustellen und Montage. Zusätzlich stellen sich natürlich auch organisatorische Fragen, zum Beispiel danach, wie wir Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten auch auf Baustellen familienfreundlicher gestalten können. Hier sind wir aber schon sehr flexibel. Andere Fragen mit denen wir uns aktuell beschäftigen sind die nach Strukturen, die den Austausch zwischen jungen Frauen im Handwerk und interessierten Schülerinnen fördern, zum Beispiel durch Mentoren-Programme oder gezielte Veranstaltungen. Und auch unsere Ausbildung möchten wir stärker so gestalten, dass sie für Männer und Frauen gleichermaßen ansprechend ist. Hier schauen wir uns gerade sehr genau an, wie wir Lernbedingungen in unserer Lehrwerkstatt etablieren können, die Bedürfnisse junger Frauen stärker integrieren.
Unternehmenskultur, Organisationsstruktur und der ganz normale Baustellen-Alltag. Das klingt nach viel Arbeit. Was halten Sie für den wichtigsten Eckpfeiler in der Umsetzung?
Es ist viel Arbeit. Und die packen wir an. Alle genannten Maßnahmen sind wichtig und müssen ein gut koordiniertes Zusammenspiel werden. Das gelingt uns nur gemeinsam: Wir brauchen die vielen top Männer, die schon da sind und erkannt haben, dass auch sie von mehr Gleichberechtigung nur profitieren können, die junge Frauen fördern und unterstützen. Wir brauchen Durchhaltevermögen und Ausdauer um weiter daran zu arbeiten, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Und dann brauchen wir vor allem die jungen Frauen selbst, die die neuen Strukturen von Morgen mitgestalten wollen.
Damit wir die aber überhaupt dorthin bekommen, wo wir dann gemeinsam Weichen stellen können, wünsche ich mir, dass wir in der Erziehung Zuhause anfangen. Wenn handwerkliche Talente und Berufe nicht mehr als „unweiblich“ wahrgenommen werden und wenn Frauen, die in solchen Berufen erfolgreich sind, einfach, weil sie es genauso gut können, endlich überall die gleiche Anerkennung finden – egal, ob sie in ihrer Freizeit lange Haare, kurze Haare, Latzhosen oder Röcke tragen – dann, glaube ich, sind wir einen ganz großen Schritt weiter. Deswegen möchte ich gerade zum Weltfrauentag alle jungen Frauen ermutigen: Traut euch, neue Wege zu gehen und euch auszuprobieren! Euer Einsatz wird gebraucht. Auch in Industrie und Handwerk, gerade in den technischen Berufen, auf Baustellen und auf Montage.
Frau Zoth-Opolka, vielen Dank für das offene Gespräch.